Es kotzt mich an. Wirklich, so richtig. Diese Rechtschreib-Ignoranten! Und sie tun das nicht mal absichtlich. Ich weiß das. Ich kenne viele von ihnen persönlich. Sie können oft nichts dafür. Und somit geht es unaufhaltsam weiter. Ich fühle mich oft alleine auf weiter Flur, wenn ich versuche, dagegen anzukämpfen. Gegen eine Bewegung, die von den meisten gar nicht als Bedrohung wahrgenommen wird. Im Gegenteil. Sie kümmert das gar nicht oder bemerken nicht, was da eigentlich rund um uns passiert. Hallo, AUFWACHEN! Es gibt sie wirklich. Ich kann es beweisen: Die Gänsefüßchen-Verschwörung!

Von Füßchen und Tüddelchen

Gänsefüßchen ist die umgangssprachliche Bezeichnung von Satzzeichen, die eine wörtliche Rede oder ein Zitat eingrenzen. Oder wenn der Autor einen Begriff ironisch hervorheben oder betonen möchte, setzt er gerne Anführungszeichen. Meine Chefin sagt Tüddel oder Tüddelchen dazu. Lange dachte ich, sie hat diese Wörter erfunden. Ihre kreativen Worterfindungen sind nichts Neues und sehr amüsant. So wie der Begriff Penöpel”, der für unbeschreibliche Knöpfe, Hebel, Fortsätze etc. verwendet wird (von mir übrigens mittlerweile auch). Aber nein, Tüddelchen sind tatsächlich die norddeutschen Gänsefüßchen. Wie lieb sie sein können, diese Deutschen.

Unverstanden

Wie kann also so etwas Entzückendes Teil einer Verschwörung sein und mich so nerven, aufregen und wütend machen? Ja bitte WIE? … Leider hab ich noch niemanden getroffen, den das Gänsefüßchen-Thema ähnlich bewegt. Aber ich bin mir sicher, dass es sie da draußen gibt. Menschen, die wie ich tagtäglich leiden, wenn sie in E-Mails, Blog-Posts oder Newsletter die geliebten Gänsefüßchen einsetzen, um einen Text lesbarer, greifbarer und interessanter zu machen. Menschen, die das Ergebnis genauso entsetzlich finden wie ich. Und die sich wie ich diese eine Frage stellen: Wo ist das Gänsefüßchen unten geblieben?

Gänsefüßchen unten, wo bist du?

Wo ist es? Ich brauche es! Wie soll ich sonst in meinem Text jemanden zitieren oder einen Buchtitel hervorheben? Wie bitte soll ich das machen, ohne auf meine Rechtschreibkenntnisse zu pfeifen, für die ich unter anderem bezahlt werde?

Wie komme ich dazu, die Tatsache, dass jedes Blog-Programm, jede Backend-Software sowie Gmail & Co. auf die unteren” Gänsefüßchen sch***t, einfach hinzunehmen? Nein! Nope! Das akzeptiere ich nicht!

Demonstrativ umgehe ich das Dilemma und schreibe meine Texte old school in Microsoft Word vor und kopiere ihn dann in die feindlichen Programme. Mühsam. Oder ich mache es gezielt mit den Gänsefüßchen und bessere sie händisch nach. Noch mühsamer.

Aber ich geh noch weiter. Ich bestrafe mich selbst, wenn ich in schwachen Momenten eine Textzeile ohne den Gänsefüßchen-Check aus der Hand gebe. Da wird die seelische Peitsche schon mal ausgepackt. „Wie konntest du nur?“ – Zack. „Heute keine Schoki!“

Künstlerische Freiheit? – Nein, danke!

Natürlich passieren mal Fehler. Nopegirl ist auch nur ein Mensch (jetzt wisst ihr es). Aber eben auch ein Mensch, der es mag, wenn ein Text ästhetisch ist, keine Rechtschreibfehler hat und aus den gewählten Worten ein Kunstwerk erschaffen wird, das man sich immer wieder gerne ansieht. Zu viel künstlerische Freiheit ist hier fehl am Platz. Was der Rahmen für ein Gemälde tut, machen die Satzzeichen für den Text. Mehr noch. Sie machen ihn überhaupt erst verständlich.

Auch dieser Text wurde final Gänsefuß-technisch kontrolliert und nachgebessert. Ja, es kostet Zeit und ja, vielleicht übertreibe ich ein wenig mit der Verschwörungstheorie der Gänsefüßchen. Aber für mich symbolisiert der Wegfall der Gänsefüßchen unten den immer oberflächlicher werdenden Umgang mit Sprache.

Bedenklich

Ich befürchte, dass unsere Gesellschaft in Zukunft immer weniger Wert auf richtiges Schreiben – sprich Rechtschreibung – legen wird. Texte werden kürzer, knapper, kompakter – aber dann bitte auch korrekt(er). Information wird bevorzugt in kleinen Häppchen serviert – am besten mit einem Video oder zumindest einer einfach verständlichen Infografik. Und gerade dann ist es wichtig, dass die Sprache stimmt, die Worte mit bedacht gewählt werden, um die Message auf den Punkt zu bringen. Auf den Punkt – ein Satzzeichen als Hauptakteur in einer treffenden Redewendung. Ist das nicht großartig?

Lassen wir doch auch wieder das Gänsefüßchen unten eine Hauptrolle in unseren Texten spielen. Ich bin mir sicher, das obere Gänsefüßchen freut sich über die geteilte Beinarbeit

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